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martin1060

Marktanalyse - Kalenderwoche 37/2023

Fokus Anlagen in Obligationen: Warum jetzt Obligationen wieder interessant werden und wie man sich positionieren sollte.



Chart der Woche

Quelle: Axa


Viele Anleger investieren in Aktien. Eine Nestlé oder Apple Aktie zu kaufen ist ganz einfach und viele haben das auch schon gemacht. Bei Anleihen ist das schwerer. Hier gibt es die folgenden Anlageentscheide, die man treffen muss:

  • Laufzeit (Duration)

  • Kreditqualität (AAA bis zu C)

  • Kredit-Spreads

  • Notenbankzinsen


Warum das wichtig ist


Bei Aktien ist es vergleichbar einfach. Man mag die Produkte von Nestlé und denkt alle Anderen tun das auch, man liebt das iPhone und alle Freunde haben auch eines oder man sieht die lange Schlange zum Anstehen vor dem Swatch Shop und kauft die Aktien.

Bei Anleihen ist das anspruchsvoller. Von Nestlé gibt es 95 Anleihen, von Apple 67 Anleihen und von Swatch gibt es nur eine Wandel-Anleihe, die je nach dem Verlauf des Aktienkurses dafür sorgen kann, dass man die Aktien geliefert bekommt.


Im weiteren Verlauf des Textes gehen wir darauf ein, warum Anleihen jetzt wieder eine gute Alternative sind und wie man beim Anleihenkauf vorgeht.


Für Schnellleser hier das aktuelle Fazit: Wir investieren in Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 6 bis 12 Monaten. Hier lohnt sich kein ETF, da kann man direkt die Anleihe kaufen.



Anleihen - Grundlagen


Nehmen wir an, man kauft für EUR 5000 eine Anleihe von Nestlé mit einer Laufzeit von einem Jahr und einem Zins von 4%.

Am Tag nach dem Kauf steigen die Zinsen um 1%. Was geschieht nun mit dem Preis der Anleihe? Ein neuer Käufer könnte eine Anleihe für 5% Zins kaufen. Um das auszugleichen, sinkt jetzt der Preis von unserer gekauften Anleihe auf 4950. Es wird aber jetzt nicht der Preis von 4950 angegeben. Der Preis wird immer in Relation zum Nominalwert angegeben. Wir haben zu 100% gekauft und bekommen in einem Jahr 100% zurück. Im obigen Beispiel sinkt nun der Preis von 100% auf 99%.

Ein Käufer, der heute kauft, erzieht die 4% Zins plus einen Kapitalgewinn von 1%, da er die Anleihe in einem Jahr für 100% zurückgeben kann.


Jetzt das gleiche Beispiel, aber die Nestlé Anleihe hat eine Laufzeit von 10 Jahren. Wieder steigt nach dem Kauf der Zins von 4% auf 5%. Unsere Anleihe sinkt jetzt auf einen Wert von 90%.


Und noch das letzte Beispiel: Wir halten eine Nestlé Anleihe mit 4% und einer Laufzeit von 10 Jahren. Nun aber sinken die Zinsen um 1%. Der Preis der Anleihe steigt jetzt auf 110%.


Fazit: Kauft man eine Anleihe und die Zinsen steigen, macht man einen Kapitalverlust. Wenn man die Anleihe bis zum Ende behält, in unserem Beispiel 10 Jahre, so bekommt man aber 100% zurück und macht keinen Verlust. Wen man aber das Geld vorher benötigt, muss man grössere Verluste ertragen.

Genau das ist vielen Anleger, aber auch den US-Regionalbanken in den vergangenen 2 Jahren passiert. Dies löste die Bankenkrise im Frühling aus und die Banken mussten vom Staat gerettet oder an einen Mitbewerber verkauft werden.




Anleihen, warum jetzt?


Von 1980 bis 2021 hatten wir eine Zeit von 40 Jahren mit tendenziell sinkenden Zinsen.

Quelle: FRED, 18.09.2023


Dann begann die US-Notenbank sehr aggressiv, die Zinsen zu erhöhen:

Quelle: Isabelnet, 01.12.2022


Die Grafik zeigt die wichtigsten Zinserhöhungszyklen der US-Notenbank seit 1950. Wir erleben derzeit den drittschnellsten Erhöhungszyklus seit fast 100 Jahren. Der Zyklus von 1973 ist vergleichbar, weshalb dieser Zeitraum so oft als Vergleich für die aktuelle Situation herangezogen wird.


Die rasante Erhöhung der Zinsen führt zu den grössten Verlusten für Anleger von Anleihen seit 1945!

Jetzt mehren sich aber die Anzeichen, dass die Zinsen nicht mehr weiter steigen. Damit werden Anleihen wieder zu einer interessanten Alternative.


Quelle: CME FedWatch Tool, 18.9.2023


Die Grafik zeigt die erwarteten Zinsentscheide der US-Notenbank in den nächsten 12 Treffen. Die blau markierten Stellen zeigen, was die Mehrheit der Anleger erwartet. Diese erwarten gleichbleibend hohe Zinsen bis im Mai 2024 und dann wieder sinkende Zinsen.


In Europa zeigt sich ein ähnliches Bild:

Quelle: YouTube, Mario Lochner. 9.9.2023, Zeitstempel 6.22


Hier wird zwar noch eine weitere Zinserhöhung erwartet, aber dann sollte auch in Europa Schluss mit steigenden Zinsen sein.

Damit nicht genug. Die Zinsen sind wieder auf einem Level angelangt, in der Anleihe zu einer echten Alternative zu Aktien werden.


Die Gewinnrendite jedes Unternehmens kann berechnet werden. Dies ist die Rendite auf das eingesetzte Kapital. Diese Zahl kann aus allen Unternehmen des S&P 500 Aktienindex aggregiert werden. Derzeit liegt die Gewinnrendite des S&P 500 bei 3,93 %.


Quelle: Isabelnet, 09.09.2023


Das obige Schaubild zeigt die Beziehung zwischen der Gewinnrendite des US-Aktienmarktes und kurzfristigen Staatsanleihen. Liegt die Linie über der Nulllinie, lohnt es sich, Aktien zu kaufen, liegt sie darunter, sind Anleihen die bessere Wahl.

Derzeit spricht mehr für eine Anlage in Anleihen als in Aktien. Um dies zu ändern, müssten Aktien eine höhere Gewinnrendite erzielen. Derzeit sieht das aber nicht so rosig aus.


Eine kurzfristige 3-monatige US-Staatsanleihe rentiert derzeit mit 5,3 %. Das heisst 1.27% mehr als die Rendite von Aktien. Ein rational denkender Anleger bevorzugt also aktuell kurzfristig Obligationen vor Aktien.



Anleihen - Besonderheit inverse Zinskurve


Normalerweise sind langfristige Zinsen höher als kurzfristige Zinsen.

Quelle: TradingFreaks, 18.9.2023


Wenn man einem Schuldner Geld leiht, so muss man eine Prognose erstellen, ob man am Ende der Laufzeit all sein Geld zurückbekommt. Eine solche Prognose ist einfacher über 1 Jahr zu erstellen als über 10 Jahre. Das Risiko, dass eine Firma die Anleihen nicht zurückzahlen kann, ist in 10 Jahren höher als in einem Jahr.


Aktuell ist das anders, da viele eine Rezession erwarten. Es ist einfacher zu prognostizieren, wie viel eine Firma über 10 Jahre verdient als in einer Rezession. Eine inverse Zinskurve kommt selten vor.


Quelle: YouTube, InvestAnswers, 25.03.2023, Timestzmp 24:30


Das Diagramm zeigt die Differenz zwischen den 10-jährigen und den 2-jährigen Zinssätzen für US-Staatsanleihen (blaue Linie). Normalerweise sind die langfristigen Zinssätze höher als die kurzfristigen Zinssätze. Mit einem schwarzen Kreis markiert sind die Phasen, in denen dies nicht der Fall war. Das heisst, die Phasen, in denen die Zinskurve umgekehrt war.


In ALL diesen Fällen seit 1985 kam es 6-9 Monate nach dem Auftreten der inversen Zinskurve zu einer Rezession. Ferner steigt die Arbeitslosenquote (gelbe Linie) dann ebenfalls stark an.


Diese inverse Zinskurve bei den Staatsanleihen sieht man an den aktuellen Werten vom 18.09.2023:


6 Monate 1 Jahr 10 Jahre


USA 5.5% 5.4% 4.4% Deutschland 3.8% 3.2% 2.7% Frankreich 3.9% 3.8% 3.2% Schweiz 1.9% 1.94% 1.1%

Wir investieren daher die Gelder, die wir kurzfristig in Cash halten wollen, in 6-12 Monatigen Staatsanleihen von den USA, Deutschland und Frankreich.

In der Schweiz ist die Lage noch etwas uneinheitlich. 1.9% Zins über 6 Monate ist immer noch wesentlich tiefer als die Devisenrendite in Schweizer Aktien. Zudem fressen die Handelsgebühren einen Teil des Zinses weg.



Anleihen - Schuldner und Kreditqualität


Wenn man Geld verleiht, also Anleihen kauft, so ist die Qualität des Schuldners entscheidend. Ist der Schuldner solide, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass man sein Geld auch zurückbekommt.

Weil der Markt so gross und unübersichtlich ist, haben Ratingfirmen die Prüfung der Bonität als Geschäftsmodell entdeckt. Die bekanntesten sind Moody, S&P und Fitch.


Quelle: Wikipedia, 18.09.2023


Die Grafik zeigt die Raitingeinteilungen dieser Gesellschaften. Diese reichen von AAA bis D. AAA oder Aaa ist dabei die höchste Schuleierqualität. Beschränkt sich ein Anleger nur auf solche Anleihen, so ist die Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihe bei faktisch null. Aber die Rendite ist auch tiefer als bei einer Anleihe mit dem Rating BBB oder tiefer.

Anleihen mit einem Rating von AAA bis BBB nennt man auch Investment-Grade. Viele Anleger, wie Pensionskassen, dürfen nur in solche Anleihen investieren.



Quelle: Moodys, Ratinggrundlagen, Seite 7


Die Grafik zeigt die Ausfallraten der Anleihen nach dem Rating, das sie hatten. Von AAA bis BBB ist die Ausfallrate sehr gering. Dann beginnt sie aber rasant anzusteigen. Will man um mehr Zinsen zu bekommen in das Non-Investment-Grade Segment, als Anleihen unter dem Rating BBB, investieren, so lohnt es sich dies mit einem Anlagefonds zu tun. Dieser ist breit gestreut und der Manager überprüft zusätzlich alle Schuldner.


Es gilt generell der Grundsatz, je tiefer das Anlagerisiko, desto tiefer der Zins; je höher das Anlagerisiko, desto höher der Zins.


Quelle: Schroder, Unternehmensanleihen, 19.9.2023


Das tiefste Risiko haben in der Regel Staatsanleihen. Aber natürlich nicht alle. Griechenland hat ein höheres Risiko als Deutschland. Für Europa werden daher meistens Staatsanleihen aus Deutschland und für den USD solche von Amerika als risikolose Anleihe gesehen. Der Unterschied und daher das höhere Risiko anderer Anleihen wird oft als Spread angegeben. Dieser Spread kann zum Teil sehr stark schwanken.


Die Grafik zeigt den Verlauf des Aktienkurses des S&P 500 (grün) und die Spreads von hochverzinslichen Anleihen in den USA (blau) gegenüber Staatsanleihen in der Rezession von 2008. Damals hatte die Finanzkrise eine Rezession ausgelöst. Viele Firmen hatten Mühe und die Ausfallrate der Schuldner steig stark an.

Aktuell glauben viele Anleger, dass wir am gleichen Punkt stehen wie 2007, also kurz vor einer Rezession. Wenn die Spreads von Unternehmensanleihen steigen, bedeutet das, dass die Firmen einen höheren Zins bezahlen müssen.

In einer solchen Markt-Phase steigen die Zinsen der Firmenanleihen weiter an, aber diejenigen der Staatsanleihen nicht. Daher bevorzugen wir aktuell Staatsanleihen und würden Firmenanleihen meiden.


Das kann sich aber ändern. In der Grafik oben sieht man, dass die Speads der Anleihen im Dezember 2008 den Höchststand erreicht hatten und dann wieder nach unten gingen. Und das bevor die Rezession zu Ende war und die Aktienkurse sich wieder erholten. In der letzten Phase der Rezession, wenn sich eine Erholung anbahnt, sind dann hochverzinsliche Anleihen eine hervorragende Anlage und werden eine bessere Rendite haben als Aktien. Soweit sind wir aber noch nicht.



Anleihen - Einfluss der Notenbankzinsen


Wir haben oben gelernt, dass Staatsanleihen aus den USA oder Deutschland als risikofreie Anlage gelten. Alle anderen Zinssätze von mehr risikoreicheren Anlagen nehmen die risikofreien Zinsen als Basis.


Daher ist bei jeder Anlage in Anleihen wichtig, die Leitzinsen der Notenbanken zu beachten, denn dies bilden die Grundlage für die Höhe der Renditen der Staatsanleihen.


Deswegen haben wir seit 3 Jahren vor dem Kauf von Anleihen gewarnt. Falls die Kunden Anlagen in Anleihen wünschten, haben wir in sogenannten Absolute-Return Strategien investiert, die auch in einem Umfeld von steigenden Zinsen profitieren können.


Da der Peak bei den Leitzinsen der Notenbank schon da ist oder nahe scheint, ändern wir nun unser Anlageverhalten und investieren wieder in Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 6-12 Monaten.


Quelle: Twitter, Lance Roberts, @LanceRoberts, 07.09.2023


Die Grafik zeigt die Leitzinsen in den USA (hellblau) und die Zinsen der 10-jährigen Staatsanleihe (dunkelblau). Die Leitzinsen liegen aktuell in einer Bandbreite von 5.25% bis 5.5%. Die Zinsen der Staatsanleihen für 6 Monate liegen am Oberen Band von 5.5%. Wie in der Grafik ersichtlich sind, die langfristigen Zinsen aber noch ein Prozent tiefer. Dies liegt an der inversen Zinskurve.

Hier besteht die Gefahr, dass diese noch ein Prozent zulegen, bevor sie nach unten drehen. Wir sind bei Anlagen in langlaufende Anleihen noch sehr vorsichtig.




Zusätzliche Bildquellen: Anfangsgrafik Designed by Freepik


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